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and the dozen plus HANDKE-SCRIPTMANIA sites. I welcome thoughtful critical comments on literary matters and especially for the Handke-Yugo blog. Michael Roloff, June 2010, Seattle.
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Peter Handke, Schriftsteller, Erzähldeuter, Brummbär, ist in dieser vitalisierend ungeschliffenen Dokumentation über sich selbst wahrlich viel zu viel im "Wald". Daraus folgt, dass er sich zwangsläufig "verspäten" muss. Peter Handke verliert sich im Naturnahen, Corinna Belz dagegen, Regisseurin, Beobachterin, Nachfragerin, im menschlich Nahen. Drehte die studierte Philosophin und Medienwissenschaftlerin mit "Gerhard Richter – Painting" bereits ein anderes stotternd säuselndes Tiefenporträt ungeahnter Nähe, das im reflexiven Augenblick der Tätigkeit zerging, so diskutiert "Peter Handke: Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte…" die sinnästhetischen Empfindungen, die zu dieser Tätigkeit führen. Das Unerklärliche überwindend, das direkt aus dem "Müssen" einer inneren Pflicht resultiert, versucht Belz, das Fühlen beim Schreiben zu theoretisieren. Obgleich ihr das nicht gelingen mag – konsequent ist sie, wenn sie vollkommen ungezwungen eine Zeit einfriert, die, fernab jener Hektik, die uns sonst umgibt, ihre eigene kleine, vergängliche Geschichte schreibt. http://blockbuster-entertainment.blogspot.com/2017/02/dokumentation-peter-handke-bin-im-wald.html Handke riecht, schmeckt, gurgelt, proustet und murmelt. Auf dem Weg zum Zuschauer passieren seine Abgangsmeldungen keinen Filter der Skepsis. Hier kostet einer sein Leben aus, das gesteigerte Dasein erzeugt Erlebnisstürme bis zu den Kapillaren. Jedes Schnitzgeräusch kommt als Notiz ins Moleskine. Denn da ist kein Rechner in der Niemandsbucht. Der technische Fortschritt endete für Handke bei der elektrischen Schreibmaschine, die falsch brummte. Im Film taucht zu der Bemerkung eine mechanische Schreibmaschine auf. In einer Einspielung aus den Siebzigern schlägt Handke dieselbe Taste immer wieder an, begeistert vom Anschlagslärm. Er reißt das Papier von der Walze und kaspert es ins Abseits des Geschehens. http://faustkultur.de/2999-0-Tuschick-TEXTLAND-Peter-Handke-Film-Bin-im-Wald.html#.WKcVFDsrKyJ ====================
Das Sichgenügen auf dem Brevierweg
Peter Handke/Doku
Erfindungen schaffen Materie - Corinna Belzs Dokumentation
„Peter Handke - Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte“ zeigt
den Dichter zwischen Wald und Flur
Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Jamal Tuschick
Eine Großproduktion könnte so
losgehen: vor einem Nachthimmel, den ein Lichtfries begrenzt. Der Fries
verliert sein Geheimnis als Scheinwerferfräse. Am nächsten Morgen kommt
Peter Handke mit Pilzen pünktlich aus dem Wald. Er präsentiert die
Strecke. Er arrangiert und erwägt die Gültigkeit des Arrangements. Er
spielt mit einem Fruchtkörper. Er befriemelt Hut und Stiel in
animatorischer Absicht. Er teilt die Trama mit dem Taschenmesser und
inszeniert den Schnitt als Akt zwischen Gewalt und Hochamt.
Handke
riecht, schmeckt, gurgelt, proustet und murmelt. Auf dem Weg zum
Zuschauer passieren seine Abgangsmeldungen keinen Filter der Skepsis.
Hier kostet einer sein Leben aus, das gesteigerte Dasein erzeugt
Erlebnisstürme bis zu den Kapillaren. Jedes Schnitzgeräusch kommt als
Notiz ins Moleskine. Denn da ist kein Rechner in der Niemandsbucht. Der
technische Fortschritt endete für Handke bei der elektrischen
Schreibmaschine, die falsch brummte. Im Film taucht zu der Bemerkung
eine mechanische Schreibmaschine auf. In einer Einspielung aus den
Siebzigern schlägt Handke dieselbe Taste immer wieder an, begeistert vom
Anschlagslärm. Er reißt das Papier von der Walze und kaspert es ins
Abseits des Geschehens. In der Gegenwart pflanzt Handke
Muscheln in seinem Garten. Er feiert den Sand in einer Kalkschale und
datiert dessen Alter nach einer Geschmacksprobe auf zwei Millionen
Jahre. Handke wird sich auch an Maronen noch vergreifen. Er zeigt sich
als Einfädelungsversager mit geringer Frustrationstoleranz. Ein Nadelöhr
muss sich als Arschloch verunglimpfen lassen.
Die
Kurzstrecke zur Gedankenverfertigung im Gehen vor dem Pariser
Vorstadthaus vergleicht Handke mit den Brevierwegen der Pfarrer als
einer Einübungsroutine. Er deutet Gewinne aus Litanei, Monotonie und
religiöser Bindung an. Belz bastelt dieser beinah konfessionellen,
François Mauriac und Julien Green streifenden Einlassung ein lächerlich
kunstgewerbliches Passepartout. Sie zeigt ein Bündel mit Halsketten
verbundener Kreuze. Aus einem Pendlerzugfenster sieht Handke Hanna
Schygulla im Jugendstil der Generation Protest. Der surreale
Zusammenschnitt erinnert an den Wendersfilm “Falsche Bewegung”, zu dem
Handke, inspiriert von Howard Hawks, das Drehbuch lieferte. Später
erfreut sich Handke an einer Tochter im Restaurant. Es gehört paradox zu
Handkes Sichgenügen, Vater zu sein. Das führt er aus, alte Aufnahmen
illustrieren das Textprogramm Vaterschaft in den Hyperfarben der
Polaroidära. Die Textgewordenen zeigen sich gnädig, aber nicht
unkritisch. Sie versperren sich einem durchgreifenden Deutungsanspruch
und den Vernebelungsabsichten des Nachlassenden.
Manche
Archivaufnahmen funktionieren wie Rückblenden in Spielfilmen. Man sieht
Handke 1966 als Provokateur bei einer Tagung der Gruppe 47 in Princeton
und als Merlin in der Frankfurter Publikumsbeschimpfungspremiere.
Ein
Schriftsteller lebt für sich und gegen seine Zeit und ihre
Behauptungen. Jahrzehnte nach den Etablierungsskandalen reist Handke ”in
die falsche Richtung”. Sein Einsatz für Serbien und Milošević im
Jugoslawien-Krieg wird bis heute als Verfehlung historischer Tatsachen
bewertet. Weit davon entfernt: sich selbst zu erklären, rückt Handke
weiter Nebensachen ins Licht. Dabei erscheint er so, als wolle er eine
Person, die allein mit ihrer Stimme anwesend ist, aus ihrem Versteck
locken. Das ist die vor Handkes sanfter Tyrannei hörbar einknickende
Regisseurin.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag. https://www.freitag.de/autoren/jamal-tuschick/das-sichgenuegen-auf-dem-brevierweg
Zusammen mit dem Schriftsteller Ludwig Lugmeier war ich in dem neuen Dokumentarfilm von Corinna Belz über Peter Handke. Wir waren neugierig. Was würde uns erwarten? Würden wir etwa einen Showdown virtuoser Formulierungskünstler erleben, als würde ein Herausforderer wie Michael Krüger gegen Peter Handke antreten, um sich einen Kampf der Wortgiganten zu liefern, bei dem sich noch in der neunten Runde nur ein knapper Sieg nach Punkten abzeichnet und immer noch keiner den anderen k.o. gequatscht hat?
Die Eintrittskarte wirkte verdächtig. Der vollständige Titel „Peter Handke – bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte“, war nicht in voller Länge ausgedruckt, der Titel ist zu lang, er passt nicht in eine Zeile, und mitten in „bin im Wald“ hörte die Zeile auf und ließ nur das „i“ aus dem „im“ zurück, so dass auf der Eintrittskarte der Film auf gut Bayrisch hieß: „Peter Handke bin i“ – und damit zu Befürchtungen Anlass gab, dass wir es mit einer Beweihräucherung zu tun haben würden, die das abgehobene Ego eines Großschriftstellers in den Mittelpunkt stellt.
So war es nicht. Ganz und gar nicht. Es war ein bewegender Film zu der großen Frage: Wie sollen wir leben? Ich will nicht allzu viel verraten; ich will nur einen Teil der Fragestellung aufgreifen, die Frage eingrenzen und etwas umformulieren: Mit wem sollen wir leben?
Zwar wusste ich schon, dass Handke mit seiner Tochter – wie wir heute sagen würden – als „Alleinerziehender“ gelebt hatte, doch ich hatte es glatt wieder vergessen, nun konnte ich Handke wieder entdecken als jemanden, für den das Leben mit einem Kind zu einer bedeutenden Selbstverständlichkeit gehört.
Unscheinbarer Titel, starke Wirkung
Sein Buch mit dem unscheinbaren Titel „Kindergeschichte“ war sein letzter Bestseller, jedenfalls fand es sich auf entsprechenden Listen – das war, lang ist es her, im Jahre 1981. Da war er als „Heranwachsender“ mit seinem Kind zusammen.
Peter Handke spricht auch heute noch – auch im Film – über sich in der dritten Person, er tut es offenbar gerne, so wie ich es früher auch getan habe, als ich als Kind Indianer gespielt und mich als großen Häuptling Spitze Feder gesehen habe. Es heißt in der Kindergeschichte:
„Ein Zukunftsgedanke des Heranwachsenden war es, später mit einem Kind zu leben. Dazu gehörte die Vorstellung von einer wortlosen Gemeinschaftlichkeit, von kurzen Blickwechseln, einem Sich-dazu-Hocken, einem unregelmäßigen Scheitel im Haar, eine Nähe und Weite in glücklicher Einheit.“
Schon beim ersten Anblick des Kindes spürt der Heranwachsende, dass er nun ein für allemal mit dem Kind eine verschworene Gruppe bilden wird, die ihm zur „einzig gültigen Wirklichkeit“ wird. Er nimmt es der Mutter übel, dass sie das Berufsleben vorzieht und sich nicht der unbedingten Notwendigkeit stellt, und er verachtet all diejenigen, die ihm eine andere Lebensweise aufreden wollen. Er spürt deutlich, dass er den gesamten Zeitgeist gegen sich hat und dass ihn die Dringlichkeit des politischen Lebens immer wieder herausruft aus der Enge und Gefangenschaft des Häuslichen mit dem bequemen Glück der Zweisamkeit.
Es ist kein reines Glück. Es ist nicht immer nur das Anwehen des Paradieses zu spüren, das sowieso nur unauffällig und beiläufig auftritt, es ergeben sich genauso tiefe Momente des Versagens, des Ungenügens und Momente einer Schuld, die so heftig sind, dass er das Gefühl hat, als würde er – um es ausnahmsweise in meinen Worten zu sagen – vor der höchstmöglichen Instanz in Ungnade fallen. Als Peter Handke sein Kind in einem Zornesanfall schlägt, schreibt er (wieder über sich in der dritten Person): „Das Entsetzen des Täters war fast gleichzeitig. Er trug das weinende Kind, selber bitter ermangelnd der Tränen,in den Räumen umher, wo überall die Tore des Gerichts offenstanden, mit den schalltoten Hitzestößen der Posaunen ...“
„Schalltote Hitzestöße der Posaunen“
Die Formulierung von den „schalltoten Hitzestößen der Posaunen“ fand ich damals schon übertrieben, ja geradezu lächerlich, das war 1981, als ich, selber noch kinderlos, das Buch zum ersten Mal gelesen hatte. Ich dachte nur: Geht’s vielleicht auch ne Nummer kleiner? Doch womöglich war es gerade die Übergröße der Formulierung, die bewirkt hatte, dass mir der Wortlaut bis heute in Erinnerung geblieben ist. Weiter heißt es über die erwähnte dritte Person, also über den Täter: „Erstmal sah sich der Erwachsene da als einen schlechten Menschen; nicht bloß ein Bösewicht war er, sondern ein Verworfener; und seine Tat konnte durch keine weltliche Strafe gesühnt werden. Er hatte das einzige zerstört, das ihm je das Hochgefühl von etwas dauerhaft Wirklichem gegeben hatte, das einzige verraten, das er je zu verewigen und zu verherrlichen wünschte. Als Verdammter hockt er sich zu dem Kind und redet es an ...“
Ludwig, der selbst keine Kinder hat, erzählte mir, als wir wenig später bei Rotwein und Tapas den Film verdaut haben, dass er vor vielen Jahren einer Frau ins Gesicht geschlagen habe. Es sei das Widerwärtigste gewesen, das er jemals getan habe. Zwar sei er besoffen gewesen, doch das könne keine Entschuldigung sein. Ich wiederum weiß von einer Frau, die vor über 20 Jahren ihren Dreijährigen verprügelt hatte, die es immer noch bereut, ihn schon mehrfach um Verzeihung gebeten hat und es immer noch tut. Von einer anderen Frau, die sich inzwischen in Frömmigkeit geflüchtet hat, weiß ich, dass auch sie eine unselige Zeit mit ihrem Kleinkind hatte und dass sie dann, wie sie es nannte, „den anderen Weg“ gegangen ist.
Der Film löst große Gefühle aus
Wir haben viel geredet. Über Peter Handke, über Edmund Husserl und seine Methode, einzelne Phänomene aus Zusammenhängen zu lösen, aber eben auch über private, über sehr intime Dinge. Ich erwähne das, um erneut zu unterstreichen, dass dies kein Literatur-Fuzzi-Film ist. Es geht nicht um Papierkram. Der Film löst große Gefühle aus. Wer hätte das gedacht? Man erwartet von Peter Handke, dass er andersgelbe Nudeln in Einzelheiten beschreibt und jedes Blatt, das vom Baum gefallen ist, zweimal umwendet, ehe er es wieder beiseitelegt, und dass er sich im Kleinen und Klitzekleinen verliert.
Doch er schreibt über die großen Tatsachen des Lebens, die erst erkennbar werden, wenn wir uns ungeschützt ausliefern, wenn das Gerümpel des Vorgestanzten und Vorgemeinten beiseite geräumt ist und die eigengesetzliche Lebenswelt mit ihrer ganzen Wucht wirksam wird. Dann erscheinen uns auch seine übergroßen Worte, die ins Subjekt gegossenen Gedenksteine aus den persönlichen Weltkriegen, am rechten Platz.
Er erklärt ausführlich seine Gegnerschaft zu den Kinderlosen, zu den „Wustmenschen“, zu denen, die die Kulissen der Aktualität für die allein gültige Wirklichkeit halten, und lässt den großen Häuptling, der bekanntlich niemals mit gespaltener Zunge spricht, ausführlich zu Wort kommen: „Später sollte er es noch des öfteren mit weit ärgeren überzeugt-Kinderlosen zu tun bekommen, einzeln oder in Paaren. In der Regel hatten sie einen scharfen Blick und wussten auch, selber in furchtbarer Schuldlosigkeit dahinlebend, im Expertisendeutsch zu sagen, was an einem Erwachsenen-Kind-Verhältnis falsch war; manche von ihnen übten solchen Scharfsinn sogar als ihren Beruf aus.“
Der Heranwachsende, der inzwischen unmerklich zum Erwachsenen und zum Täter geworden ist, der Schuldbeladene, der Alleinerziehende lebte im ständigen Zerwürfnis mit den Besserwissern und ihren wohlfeilen Naseweisheiten, die selber nur in die eigene Kindheit und in das eigene fortgesetzte Kindsein vernarrt waren und sich in der Nähe als ausgewachsene Monstren erwiesen. Es gab – damals schon – die für ihn so bezeichnende Konstellation: Peter Handke gegen den Rest der Welt. Einer gegen alle.
„Doch sein Wohlsein ist verfehltes Glück“
Mir wurde sofort klar, warum ich von der Prosa schon damals so tief beeindruckt war: Handke meidet gewöhnliche Ausdrücke. Er bemüht sich, Sätze zu finden, die einem wie Uraufführungen vorkommen; Sätze, die man so noch nie gelesen oder gehört hat und die einen die Welt so sehen lassen, als sähe man sie zum ersten Mal, auch wenn da gelegentlich die Posaunen erklingen. Und noch etwas: Ich habe dahinter stets das Bemühen um Aufrichtigkeit gesehen. Wie soll ich sagen? Um Ehrlichkeit? Wahrhaftigkeit? Dass Handke hart und hemmungslos gegen sich selbst sein kann und dass er seine Wunden vorzeigt, hat mich ermutigt, das auch im Umgang mit mir selbst zu probieren und mich besser kennenzulernen.
Ich habe die „Kindergeschichte“ gleich noch einmal gelesen. Diesmal als jemand, der inzwischen mit einem kleinen Kind gelebt hat. Es hat mich – um es in einem gewöhnlichen Satz zu sagen – stark berührt. Deshalb will ich ihm das letzte Wort erteilen, aber vorher noch einmal darauf hinweisen, dass das Zusammensein mit einem Kind nur eine Szene aus dem Film ist, über den Ludwig zusammenfassend gesagt hat, es gebe darin nichts, das ihm nicht gefallen hätte. Hier also noch etwas aus der „Kindergeschichte“: „Er verfluchte diese selbstgerechten kleinlichen Propheten als den Auswurf der modernen Zeiten, hob vor ihnen das Haupt und schwor ihnen die ewige Unversöhnlichkeit. Bei dem antiken Dramatiker fand er den ihnen gebührenden Bannfluch: Sind Kinder allen Menschen doch die Seele. Wer dies nicht erfuhr, der leidet zwar geringer, doch sein Wohlsein ist verfehltes Glück.“
Corinna Belz’ „Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte“ gibt Einblicke ins Leben des Schriftstellers. Von Helmut Hein, MZ
11. Dezember 201621:53 Uhr
REGENSBURG.Manchmal hat es auch Corinna Belz schwer mit ihm. Dann faucht er sie wie aus dem Nichts an: „Soll das eine Frage sein?!“ Sprachliche Schludrigkeiten, ungenaues Denken, schiefe Bilder duldet dieser Autor nicht, für den Sprache und die existenzielle Klarheit, die sie im besten Fall hervorruft, alles oder jedenfalls das Wichtigste ist.
Poetisch-präzises Porträt
Aber meist in diesen anderthalb Stunden bleibt sie von seinem berüchtigten Wüten verschont. Er wendet ihr nicht die zornige, sondern die sanfte Seite seines Wesens zu. In raren Momenten werden Blicke, die er ihr verstohlen zuwirft, fast liebevoll. Nicht ohne Grund: Denn Corinna Belz ist ein poetisch-präzises Porträt gelungen, das Peter Handke gerecht wird, gerade weil die beiden nichts auslassen, alles an- und aussprechen. Von der heftigen Ohrfeige, die er einst seiner Tochter Amina, der Heldin seiner „Kindergeschichte“, verpasste und die ihn heute noch mehr zu schmerzen scheint als sie jemals. Bis hin zur Parteinahme für Milosevic, durch die er für viele zum Outcast und fast vogelfrei wurde.
Ich erinnere mich, wie ich einst in der alten Buchhandlung Dombrowsky einen mir von meinen Studienanfängen als besonders zart-empathisch vertrauten Universitätslehrer traf, der noch kein Bildungs-Technologe im neuesten Stil, sondern ein hemmungslos altmodischer Literaturfreund und Autorenversteher war – und der sich jetzt plötzlich in einen furchterregenden Wutbürger verwandelte. Er war dabei, alle Handke-Bücher aus den Regalen zu räumen, weil er nicht wollte, dass jemals wieder jemand diese schändliche Prosa lese. Nicht einmal, als ich vorschlug, ihm zu helfen, die Bücher hinaus auf die Wollwirkergasse zu schaffen und dort anzuzünden, wurde er nachdenklich.
Es herrschte Krieg damals, ein totaler, moralischer, gerechter Krieg, der nur mit der Vernichtung Handkes enden konnte. Gerechtigkeit für Handke? Undenkbar. Die hatte er mit seinem Essay bzw. eher seiner Erzählung „Gerechtigkeit für Serbien“ verwirkt, die in der SZ erstveröffentlicht wurde und sofort für ungeheures Aufsehen sorgte. Man spürt beim Betrachten dieses Films, dass Handke fast 20 Jahre später, mit Mitte 70, die Ereignisse von damals noch nicht überwunden hat.
Kein Parteinehmer
Dabei ging es ihm ja zuallerletzt um „Parteinahme“, schon gar nicht für Milosevic. Er war nie ein Parteinehmer gewesen. Ihn stieß nur der schwirrende, vernebelnde Schwarz-Weiß-Sound der Medien ab, die ausschließlich die Sicht der einen Seite gelten ließen und das Leid und den Schmerz der anderen vollkommen missachteten. Obwohl es bei Corinna Belz um die Poetik und die Lebenslehre Handkes geht, obwohl die Kamera vor allem das Haus, den Garten und die Umgebung des kleinen Anwesens in einem Pariser Vorort erkundet und dann natürlich auch die Linien des älter gewordenen Gesichts, obwohl das alles unverkennbar so ist, bildet Serbien oder noch besser: das untergehende Jugoslawien, das Land seiner Mutter, das Kraftzentrum.
Uraufführung in Locarno
Regisseurin Corinna Belz
Corinna Belz war als Autorin, Regisseurin und Produzentin bereits an zahlreichen Film- und TV-Produktionen beteiligt. Für eine Kinodokumentation über das Schaffen des Künstlers Gerhard Richter wurde sie 2012 mit dem Deutschen Filmpreis in Gold ausgezeichnet.
Die Produktion
„Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte...“ ist eine Produktion der „Zero One Film“ unter Beteiligung des SWR.
================= Es ist ein Gegenwarts- oder eher ein sehr gegenwärtiger Film, der mit dem Ruf Handkes als Waldgänger, Pilzsammler und sogar Gärtner spielt. Aber in die vielen Blicke und Gespräche im reinsten Präsens sind Szenen aus vergangenen Jahrzehnten hineinmontiert. Von seinem legendären Auftritt bei der Gruppe 47 in Princeton, der die alten Herren der Literatur ganz schön durcheinanderbrachte, über seine reine, fast schon kindliche Freude an Peymanns Inszenierung seiner „Publikumsbeschimpfung“ bis zu den vielen Zitaten aus seinen zahllosen Büchern, die ihren Halt, manchmal auch ihren Rand finden in dem, was seine Töchter, Amina und Leocadie, und seine Frau Sophie Semin sagen. Eine weise Frau, die weiß, dass ein Dichter oder auch nur ein Mann, der als Schriftsteller leben will, wie Handkes eigene frühe Formel lautet, viel allein, ja oft sogar unberührbar sein muss.
Altmodischer Erzähler
Fasziniert scheint Belz von Handkes Gesicht zu sein. Man sieht in Hunderten von Aufnahmen, wie es sich von Anfang 20 bis Anfang 70 entwickelt. Und von seiner Handschrift. Handke schreibt ja immer noch auf diese archaische Weise, mit einem Bleistift in Kladden, die er mit sich herumträgt und die er beizeiten auch mit Zeichnungen oder eher Kritzeleien versieht.
Handke ist ein altmodischer Erzähler, über dieses Rüstzeug hinaus, der nichts absurder findet als „Stories“, „Plot-Points“ und ähnlichen Unsinn, der in Schreibwerkstätten gelehrt wird. Kann man denn das Schreiben überhaupt lehren? Genauso wenig wie das Leben. Man kann es nur mühsam selbst erfahren, wunderbarerweise aber nicht, indem man sich sklavisch der vermeintlichen Realität anvertraut, sondern sich der mit einem Mal auftauchenden Erfindung, der Fiktion überlässt.
Mal schauen, wohin sie einen führt. Der Film läuft im Andreasstadel, Regensburg
MICHAEL ROLOFF
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